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Ehlers-Danlos-Syndrom, hypermobiler Typ
Krankheitsdefinition
Der Hypermobilitäts-Typ des Ehlers-Danlos-Syndroms (HT-EDS) ist die häufigste Form des EDS (siehe dort), einer Gruppe von erblichen Bindegewebs-Krankheiten, und ist gekennzeichnet durch Gelenküberstreckbarkeit, leicht überdehnbare Haut, Gewebsfragilität und Symptome außerhalb des Muskel-Skelettsystems.
ORPHA: 285
Zusammenfassung
Epidemiologie
Die genaue Prävalenz und die Jahres-Inzidenz sind nicht bekannt, Schätzungen der Prävalenz reichen von 1/5.000-1/20.000. Wegen der klinischen Variabilität sind diese Schätzungen eventuell zu niedrig. Die meisten betroffenen Patienten sind weiblich.
Klinische Beschreibung
Die Symptome können in jedem Alter auftreten, sind aber bei kleinen Kindern wegen deren erhöhter Gelenküberstreckbarkeit schwer zu diagnostizieren. Die klinische Ausprägung ist sehr unterschiedlich.
Die primäre Manifestation ist die Überstreckbarkeit verschiedener Gelenke.
Häufig sind Subluxationen und Dislokationen nach geringem Trauma oder auch spontan.
Die Überstreckbarkeit ist bei jüngeren und bei weiblichen Patienten stärker ausgeprägt.
Weitere mögliche Symptome sind
- eine weiche oder leicht überdehnbare Haut,
- leicht entstehende Sugillationen und
- Blutungsstörungen.
Sugillation (Sugillare) ist eine münzgroße Blutung aus den Kapillargefäßen in die Haut. Diese Blutung kann bis zu 30 Millimeter groß sein.
Zu einer Sugillation kommt es vor allem bei Blutgerinnungsstörungen (Koagulopathie). Zu erkennen ist eine Sugillation als schwacher, unter der Haut befindlicher Bluterguss.
Auch der so genannte Knutschfleck wird zu den Sugillationen gezählt. So gilt er als Unterdrucksugillation (Hypobare Sugillation).
Ursachen von Sugillationen
Sugillationen entstehen zumeist durch das Zerreißen der Gefäßwandungen. Diese Zerreißung wird entweder
- aufgrund von inneren Ursachen wie Blutentmischung oder Brüchigkeit der Gefäßwände oder
- durch äußere Gewalteinwirkung wie Stöße und Quetschungen
hervorgerufen. Beim Knutschfleck wird durch leichtes Saugen an der Haut ein Unterdruck erzeugt, der dazu führt, dass kleine Blutgefäße platzen. Das daraufhin austretende Blut verteilt sich im umliegenden Gewebe und sorgt für die typische Verfärbung, welche nach etwa einer Woche wieder abklingt. Durch Kühlung sowie Einreiben mit Gels, die Dimetinden enthalten, lässt sich die Heilung beschleunigen.
- Häufig ist der Magen-Darm-Trakt mit Funktionsstörungen des Darmes beteiligt.
- Seltener gesehen werden +verminderte Motilität des Ösophagus, ++gastro-ösophagealer Reflux und +++Gastritis.
- Häufige Komplikationen sind:
- chronische Schmerzen mit Beeinträchtigung der körperlichen Aktivität,
- Ermattung,
- Schlafstörungen,
- frühe Osteoarthritis und
- Osteoporose und
- kardiovaskuläre Symptome (Thoraxschmerzen, Palpitationen, Haltungsinstabilität).
- In den meisten Fällen haben ein Elternteil oder beide Eltern eines betroffenen Patienten in unterschiedlichem Ausmaß überstreckbare Gelenke, leicht auftretende blaue Flecken oder weiche Haut. Gelegentlich scheinen diese Symptome in der Familie vererbt zu werden.
Ätiologie
Die zugrundeliegenden pathogenetischen Mechanismen sind nicht bekannt. Bei einigen wenigen Patienten wurde eine Haploinsuffizienz von Tenascin X, einem im Bindegewebe exprimierten Glykoprotein gefunden. Das betroffene Gen (TNXB; 6p21.3) wurde auch in seltenen Fällen von autosomal-rezessivem klassischem EDS (siehe dort) verändert gefunden.
Diagnostische Verfahren
Zur Diagnose führen gegenwärtig große und kleine diagnostische Kriterien aus dem klinischen Bild und der Familiengeschichte, wie sie in der Villefranche-Klassifikation definiert wurden. Große diagnostische Kriterien sind überstreckbare Gelenke, weiche oder überdehnbare Haut und das Fehlen anderer signifikanter Hautveränderungen oder Brüchigkeit der Gewebe. Unterstützende diagnostische Kriterien sind eine positive Familiengeschichte, rezidivierende Instabilität der Gelenke und leichte Entstehung von Sugillationen. Es fehlen jedoch in der Villefranch-Klassifikation die Manifestationen außerhalb des Muskel-Skelettsystems. Die gegenwärtig verfügbaren Kriterien des Beighton-Scores wurden bei verschiedenen Untersuchern außerordentlich unterschiedlich bewertet.
Differentialdiagnose
Die wichtigste Differenzialdiagnose sind andere Typen des EDS, besonders die Formen mit signifikanten Bindegewebs-Anomalien. Es wird noch immer diskutiert, ob das benigne Gelenk-Hypermobilitäts-Syndrom (BJHS) eine eigenständige Krankheit oder Teil des klinischen Kontinuums ist. Andere Krankheiten mit überstreckbaren Gelenken sind in der Regel durch ihre charakteristischen Merkmale leicht vom EDS zu unterscheiden.
Pränataldiagnostik
Da ursächliche Genmutationen nicht bekannt sind, ist eine vorgeburtliche Testung nicht möglich.
Genetische Beratung
Die Vererbung ist autosomal-dominant. Wenn die Eltern eines betroffenen Patienten keine Symptome eines EBS zeigen, muss an eine Neumutation gedacht werden. Es ist nicht bekannt, ob die Penetranz vollständig ist. Die Expressivität ist hochgradig variabel. Einige Fälle wurden autosomal-rezessiv vererbt.
Management und Behandlung
Eine spezifische Behandlung gibt es nicht.
Zu individuell ausgerichteten unterstützenden und symptomatischen Behandlungen gehören
- Physiotherapie,
- Rehabilitation,
- unterstützende Apparate,
- Schmerzmittel und
- angemessene Behandlung extra-artikulärer Symptome.
Chirurgische Maßnahmen sollten nur mit Bedacht erwogen werden.
Prognose
Ein erhöhtes Risiko für frühe Mortalität gibt es nicht,
jedoch besteht,
bedingt durch
- die Überstreckbarkeit der Gelenke,
- durch chronische und akute Schmerzen und
- durch Symptome außerhalb des Muskel-Skelett-Systems, eine hohe Morbidität mit erheblich eingeschränkter Lebensqualität.
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